Bei Gesprächen mit Beteiligten vergangener Diskursprojekte verdichtete sich unsere Vermutung, dass die klassischen Diskursverfahren sehr auf die inhaltliche Diskussion und "rationale" Argumentation abstellen, wobei die bewegenden Momente eher im Bereich der Werthaltungen und emotionalen Grundeinstellungen zu finden sind. |
Nach einer ganzen Anzahl von Diskussions- und Diskursprojekten zur Gentechnologie ist die Situation festgefahren; so die übereinstimmende Aussage der von uns befragten Teilnehmer an der Debatte. Als wesentlicher Grund für das Scheitern wird immer wieder der stark rationale und konsensorientierte Zugang bei hohem öffentlichen Druck genannt. Die emotionale und mit Unsicherheit behaftete Seite der Thematik wurde in der Regel nicht berücksichtigt. Das Dialogprojekt versuchte in mehreren Runden, neben dem inhaltlichen Austausch, auch die emotionale Seite des Konfliktes zu beleuchten. |
Der Grundgedanke des Dialogprojektes ist geleitet von der Einsicht, dass zu bestimmten gesellschaftlichen Problemfeldern, gemeinschaftlich getragene, konsensuale Entscheidungen unerreichbar sind. Die Debatte um die Gentechnologie und ihre Nutzung für die Landwirtschaft macht dies deutlich und lässt erkennen, dass diese für die einzelnen Parteien nicht zu gewinnen ist. Wenn es nicht mehr aussichtsreich bzw. erstrebenswert erscheint, in Gesprächen gewinnen zu wollen, stellt sich die Frage nach einem neuen Grundverständnis von Gespräch und Übereinkunft. |
Das Dialogprojekt bietet hier u. E. wesentliche neue Denkansätze und Möglichkeiten für den Umgang mit Pluralität und kann dazu beitragen, festgefahrene Diskurse in für alle Beteiligten fruchtbare Gelegenheiten zu wandeln. |
Bei der Betrachtung der vergangenen Diskursverfahren, partizipativen Technikfolgenabschätzung und Unternehmensdialoge stellten wir fest, dass diese Verfahren immer dann gescheitert sind, wenn Entscheidungen anstanden bzw. in Abschlussberichten von den Kontrahenten Stellung bezogen werden sollte, auch unabhängig davon, ob diese Stellungnahme einen Kompromiss oder Konsens darstellte. Die Kontrahenten in der Gentechnik-Debatte können es sich aus politischen wie auch persönlichen Gründen nicht leisten, öffentliche Zugeständnisse in irgendeiner Form zu machen. Das Dialogprojekt nimmt seiner Konzeption nach den Gesprächen den Entscheidungsdruck und konzentriert sich eher auf die Reflexion der Einstellungen, Meinungen und Werthaltungen der beteiligten Personen. |
Kennzeichnend für den Dialog ist, dass man frei und kreativ komplexe und subtile Fragen erforscht, einander zuhört und sich nicht von vornherein auf eine Ansicht festlegt. Im Gegensatz dazu werden in einer Diskussion unterschiedliche Meinungen präsentiert und verteidigt, und man sucht nach den besten Argumenten.
Die Kunst besteht darin, zwischen diese beiden Formen wechseln zu können und nicht in einer gefangen zu sein. |
Zusammenfassend lassen sich die Unterschiede folgendermaßen darstellen: |
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Der Dialog in unserem Verständnis ist generell ein offener Prozess, bei dem weniger vordergründig rationale Argumente, sondern vielmehr die grundlegenden emotionalen Beweggründe ins Zentrum gerückt werden. Statt um die Verfolgung konkreter Zwecke und Strategien, geht es darum, die andere Person mit Ihren eigenen Fragen und Einstellungen zu respektieren, eigene liebgewonnene Sicherheiten in einem geschützten Raum in Frage stellen zu können, um so ein neues Potential für Verständigung und Veränderung kennen zu lernen. |
Für die Teilnehmenden bietet sich die Chance der Reflexion, Prüfung, Korrektur ihrer eigenen Ziele und Einstellungen und eine Weiterentwicklung des eigenen Verständnisses von "richtiger" Weltsicht und die oft überraschende Erfahrung, dass solche wertvollen Lernprozesse nicht nur im kleinen Kreis der besten Freunde, sondern auch in einer Gruppe mit "Andersdenkenden", die nach dialogischen Prinzipien arbeitet, möglich ist. |
Es ist also einerseits Voraussetzung zur Führung eines Dialoges, dass die Teilnehmer eigene Ziele verfolgen. Andererseits müssen die Teilnehmer die Fähigkeit entwickeln, diese Ziele während des Dialogprozesses in Frage zu stellen, ihre Annahmen, Einstellungen und Meinungen zu vertreten und gleichzeitig offen für neue Anregungen zu sein, d.h. die eigene Ansicht in der "Schwebe zu halten". |
Durch die Reflexion unseres Denkprozesses, also der Offenlegung der verschiedenen Wege von der Auswahl von Daten, über die Meinungsbildung bis in zum Argumentieren und Handeln, wird es möglich unser Denken und Handeln sowie das der Anderen besser nach zu vollziehen und neue Wege der Verständigung und Veränderung zu beschreiten. Folgende Abbildung stellt die Leiter der Schlussfolgerungen dar, die wir im Alltag blitzschnell erklimmen und im Dialogprozess herabsteigen. |
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"Der Dialog ist ein Prozess, der den Beteiligten eine Begegnung mit eigenen und fremden Gedanken ermöglicht, indem unterschiedliche Sichtweisen erkundet werden und aus diesen in einem offenen Gespräch neue kreative Situationen geschaffen
werden" (David Bohm). |
Unterschied zu anderen Verfahren / Veranstaltungen: |
Im Gegensatz zu anderen Konfliktlösungsverfahren, wie zum Beispiel Moderations- oder Mediationsverfahren besteht das vorrangige Ziel eines Dialoges nicht darin, einen Konsens her- oder einen Dissens festzustellen, sondern in einem gemeinsamen Prozess die Einstellungen und Annahmen, die zu bestimmten Meinungen und Deutungsmustern führen, zu betrachten. |
Solche konsenszentrierten Ansätze, die zu sehr konfliktbeladenen Themen, wie etwa dem Thema Gentechnik, durchgeführt wurden, sind meist gescheitert, da das Ziel der Konsensfindung viel zu hoch angesetzt ist und die Suche nach Dissensen sich auf formalrationale Ebenen zurückzog, ohne die Hintergrundüberzeugungen in Betracht zu ziehen. Der hier vorgeschlagene Dialogansatz versucht, den Konflikt auf der emotionalen Ebene und der rationalen Ebene anzugehen. |
Im Gegensatz zur klassischen Informations- und Diskussionsveranstaltung, bei welcher der Austausch von Informationen, Meinungen und Argumenten im Vordergrund stehen, wird bei Dialogveranstaltungen stärker nach den dahinter liegenden Einstellungen und Annahmen gesucht, die zu Meinungen und Deutungsmustern führen. Erst die Arbeit mit diesem Hintergrund öffnet Wege zu neuen Einschätzungen. |
Der Dialogprozess glückt, wenn gemeinsames Nachdenken eintritt. Die Erfahrung, die "Gegenseite" als ernsthaften und um Erkenntnis bemühten Partner zu erleben, schafft die Grundlage für gegenseitiges Vertrauen und neue Lösungsansätze. |